Der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen (SVRV) hat im Oktober 2018 das Gutachten „Verbrauchergerechtes Scoring“ veröffentlicht und eine Reihe von Kernproblemen identifiziert und diskutiert, die aus seiner Sicht mit der Steuerung und Bewertung von Verbraucherverhalten einhergehen. Dazu zählen die Autorinnen und Autoren u. a. eine mangelnde Transparenz und Qualität von Daten und Scoring-Verfahren, in personeller und technischer Hinsicht „nicht hinreichend leistungsstarke“ Aufsichtsbehörden sowie die mögliche Gefahr eines kommerziellen Super-Scores ähnlich dem Sozialkreditsystem in China. Der SVRV stellt fest, dass die Entwicklung von kommerziellen Super-Scores „auch in Deutschland relevant werden“ können und empfiehlt dem Gesetzgeber in seinen Handlungsempfehlungen, „Maßnahmen zu ergreifen bzw. zu prüfen, damit Super-Scores nicht auch in Deutschland kommerziell angeboten werden“ (S. 147).
Die federführenden Autoren des SVRV-Gutachtens, Gerd Gigerenzer und Gert G. Wagner, haben zusammen mit Felix G. Rebitschek im Dezember 2018 in ihrem Beitrag „Eine vermessene Gesellschaft braucht Transparenz“ eine Auswahl aus den gegebenen 8 Empfehlungen vorgenommen und die aus ihrer Sicht 4 wichtigsten näher erläutert: Sie fordern, dass „Scoring für Verbraucher verständlich“ gemacht werden müsse. Dies bedeute, „das Recht der Verbraucher auf Aufklärung über das Recht der Anbieter auf Geheimhaltung zu stellen“ (S. 861). Des Weiteren treten sie dafür ein, die Qualität von Scores und Daten zu gewährleisten und die Aufsicht durch eine Digitalagentur zu stärken, welche die Kompetenzen in interdisziplinären Teams bündele, was konkret bedeute: „mehr und besser bezahlte Spezialisten aus Informationstechnik und Statistik“ (S. 866). Ihre letzte Empfehlung gilt der Verhinderung von Super-Scores. Obwohl sie transparentes und qualitätsgesichertes Scoring grundsätzlich für sinnvoll halten, sei mit dem Super-Score eine Grenze markiert. Die Autoren befürchten, dass das chinesische Sozialkreditsystem mit seinem Überwachungs- und Belohnungsansatz zu einem Exportschlager für autokratische Regime werden und die westlichen Demokratien unter Druck setzen könnte. Eine für die westlichen Demokratien weit bedrohlicherer Entwicklung sehen die Autoren allerdings darin, „dass internationale Konzerne Super-Scores ohne staatliche Vorgabe aus kommerziellen Gründen entwickeln und anbieten“ (S. 867) und die Verbraucherinnen und Verbraucher diese Super-Scores um persönliche Vorteile und Vergünstigungen willen akzeptieren – auch ohne einen staatlich verordneten Super-Score.
Quellen:
SVRV. Verbrauchergerechtes Scoring. Gutachten des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen, Berlin: Sachverständigenrat für Verbraucherfragen, 2018. http://www.svr-verbraucherfragen.de/wp-content/uploads/SVRV_Verbrauchergerechtes_Scoring.pdf
Gigerenzer, Gerd; Rebitschek, Felix G.; Wagner, Gert G. Eine vermessene Gesellschaft braucht Transparenz. In: Wirtschaftsdienst. Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, Jg. 98, Heft 12, 2018, S. 860-868. https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2018/12/eine-vermessene-gesellschaft-braucht-transparenz/
Foto: Screenshot SVRV-Gutachten